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Kritikpunkte
Kritikpunkt 1: zu polemisch (Global North, etc u.a. als Kritik an sich selbst aufgefasst, wie dem begegnen)
Antwort: (Entwurf) Vielen Dank für die Begutachtung und die Hinweise zur Präzisierung von Workshop-Motivation, Strukturierung und Methode. Gerne nehmen wir die Möglichkeit wahr, unsere Motivation weitergehend zu begründen und zu ergänzen. Zur Motivation und zu den (theoretischen) Hintergründen: Wir beziehen uns in der Einleitung und bei den "Herausforderungen" auf Dekolonisierungsdiskurse, wie sie aktuell z.B. an wissenschaftlichen Bibliotheken und Universitäten geführt werden (für den deutschsprachigen Raum siehe zB das Wiki des Netzwerks Dekolonialisierung von Bibliotheken im DACH-Raum https://decolonizethelibrary.miraheze.org/wiki/Hauptseite, für den englischsprachigen Raum siehe die Cambridge University Libraries Decolonisation Working Group https://www.lib.cam.ac.uk/about-library/diversifying-collections-and-practices/cambridge-university-libraries-decolonisation ). Global North und South sind dabei etablierte politische Begriffe zur Beschreibung von globalen Verhältnissen, die nicht regional, sondern sachspezifisch z.B. in Bezug auf Infrastruktur- und Mittelverteilung oder als Kritik an der Dominanz lateinischer Schriften in nicht-lateinisch-schriftlichen Kontexten in Bedeutung treten. Der Workshop nimmt hierzu im Kontext von Multilingualität und Multiskriptualität Wissenschaftsinfrastrukturen in den Blick.
Das ist der politische und theoretische Hintergrund für die drei Arbeitsbereiche, die für den Workshop strukturierend sind. Die Herausforderungen werden erstens bezüglich Wissenschaftsinfrastrukturen, die Multilingualität bislang (zu) wenig unterstützen werden im entsprechenden Abschnitt mit unterschiedlichen Beispielen illustriert. Verschiedene Definitionen und die Entstehung einer Arbeitsdefinition von Mehrsprachigkeit in DH, die nicht ausschließend, aber auch nicht beliebig ist, ist der zweite Bereich. Der dritte Bereich umfasst die Auseinandersetzung mit konkreten Problemen mit mehrsprachigen Projekten aus der DH-Community. Debei ist es ein Anliegen, den Problembereich zu kontextualisieren, um Anknüpfungspunkte für die DH Community und insbesondere andere DHd AGs zu bieten.
Hinweis an Programm-Team: Wir führen die Lesenden doch durch unseren Text und sind auch eigentlich gut strukturiert. Wir machen einen Punkt auf, illustrieren den dann und bauen eine Begründung auf, warum sich mit einzelnen Punkten beschäftigt werden muss.
Kritikpunkt 2: unwissenschaftlich, user stories, paternalistisch
Antwort:
- Alle User stories, die uns aus der Wissenschaft (sic) erreicht haben, lassen sich einem der Teilbereiche zuordnen.
Dabei werden zugleich von AG-Mitgliedern und anderen Interessierten eingereichte "user stories" vorgestellt
- das Problem könnte sein, dass "andere Interessierte" hier vielleicht Tür und Tor geöffnet
- "kreativ" bezieht sich hier auf die Art und Weise des Beitrages zum Open Space, es geht um produktiven wissenschaftlichen Austausch. Beiträge, die im Kontext des Austausches produktiv sind.
- Wir sind eine neue AG und das Thema brennt, das ist aber kein Argument sich nicht damit zu beschäftigen.
- Es muss eine Definition gefunden werden um sich dann an der kritisch abzuarbeiten.
- user stories werden durch einen CFP eingeworben
- Multilingualität ist kein Edge Case
- wir gruppieren das und ordnen das den Themen zu
- es geht um wiederkehrende Probleme in allen Konstellationen von Mehrsprachigkeit finden
- Es geht nicht um die kleinteilige Lösung projektspezifischer Probleme
Kritikpunkt 3: Format
Antwort: Der OpenSpace ist ein erprobtes Konferenzformat, das in seiner Sonderform des Barcamps auch bereits bei der DHd Konferenz von der AG Zeitschriften oder auch im Rahmen der BUA OpenScholarship Initiativen erfolgreich durchgeführt wurde. Gerade weil im Kontext von Multilingualität und -skriptualität in Nicht-lateinischen Schriften bisher kaum ein gemeinsamer Blick auf Probleme und Herausforderungen über Projekt-, Sprach-, Schrift- und Fachdisziplingrenzen hinaus besteht, ist das OpenSpace Format eine Gelegenheit, Teilnehmer:innen gleichberechtigt die Möglichkeit zu geben, bisher nicht oder nur vereinzelt thematisierte Problemfelder zu öffnen und zu diskutieren.
Anders als das freiere Barcamp bietet ein OpenSpace hier durch die zu Beginn festgelegte thematische Struktur einen systematischeren Ansatz zur kreativen und lösungsorientierten Diskussion komplexer methodischer, technologischer und infrastruktureller Probleme. Zusätzlich bietet der OpenSpace eine herausragende Gelegenheit zur fachlichen Vernetzung.
Ziel der AG ist es, Lösungen für bestehende Probleme in einer möglichst gleichberechtigten, interdisziplinären Community zu erarbeiten. Das OpenSpace Format erscheint uns hierfür als naheliegende, erprobte und etablierte Methode.
- Literatur zu OpenSpaces, BarCamps, THATCamps Unkonferenzen
- Verweis auf vergangene Veranstaltungen bei DHd Konferenzen
- Ergebnispublikation auf Zenodo
Kritikpunt 4: thematisch engerer Zuschnitt wichtig
- Es geht um drei Schwerpunkte, aber wir wollen für die COmmunity offen sein um die fundamentalen Probleme addressieren zu können
Gutachten 1 (Annette Gerstenberg)
Beitrag der Einreichung
Der vorgeschlagene Workshop der AG Multilingual DH adressiert ein Kernthema der DH, die Probleme mit Tools und Plattformen, die bei Mehrschriftlichkeit v.a. nicht-lateinischer Schriften entstehen. Technische Probleme werden ebenso angesprochen wie aus somit marginalisierten Verschriftungen resultierende kulturelle Asymmetrien. In der konzeptionellen Ausgestaltung werden weitere Aspekte wie grundsätzliche Probleme der kulturellen Hegemonialität des Globalen Nordens, die Lehre, globale sozioökonomische Dysbalancen und der "digital divide" angerissen. Der Workshop soll die kooperative Arbeit an der Identifizierung von damit zusammenhängenden Problemen und möglichen Lösungen ermöglichen. Die Arbeitsweise ist im zentralen Bereich ungesteuert: Auf Basis im Vorfeld eingereichter User Stories erfolgt die Findung von Arbeitsgruppen, die Gelegenheit zu einer fünfstündige kreativen Diskussion im Open Space-Format erhalten. Die Ergebnisse werden One-Minute-Präsentationen vorgestellt und sollen zu einer Chart führen, die Ausgangspunkt für weitere Initiativen der AG werden soll.
Beurteilung des Beitrags
Inhalt Beitrag (03x): 3 Forschung (02x): 2 Methodik (02x): 1 Formal (01x): 4 Verständlichkeit (01x): 2 Empfehlung (04x): 3 Summe der Punkte : 33
Kommentare für die AutorInnen
Das Thema ist relevant und die Mitglieder der AG sind einschlägig ausgewiesen. Die Konzeption ist grundsätzlich erfolgversprechend, allerdings gibt es in der vorliegenden Form Unklarheiten und Inkonsistenzen. So wird einleitend von drei Themenbereichen gesprochen; diese Themen werden aber nicht konsequent verfolgt und, wie oben dargestellt, um zahlreiche weitere Dimensionen von Mehrsprachigkeit und kulturellen wie ökonomischen Problemen ergänzt, die teils - wie die sicher eklatante Problematik der Stromversorgung im Mittelmeerraum - außerhalb der für den Workshop vorgeschlagenen Thematik liegen. Unverbunden im Gesamtzusammenhang stehen die "Desiderate des forschens und lehrens" (sic). Soll die universitäre Lehre eine größere Rolle spielen? Insgesamt stellt sich die Darstellung der einzelnen Themenbereiche unausgewogen und wenig stringent dar. Die Verankerung im Forschungsstand wird in den einleitenden Abschnitten kumulativ gehandhabt, während weite Strecken der Argumentation im Abschnitt "Herausforderungen" ohne Referenzen auskommen. Dies wirkt sich negativ auf die Präzision der Darstellung aus, wie das Beispiel der aleatorisch verwendeten linguistischen Termini "fused lects" und "Code-Switching" zeigt. Schlagwörter wie "Digital divide" werden ohne Referenz und definitorische Anbindung an das Rahmenthema verwendet. Eine klarere und dann konsequent durchgeführte Schwerpunktsetzung wäre vorteilhaft, wobei sich ein thematisch engerer Zuschnitt empfehlen würde, damit die thematischen Kernbereiche nicht zu kurz kommen. Etwas irritierend ist die didaktisierende Geste, mit den - an sich doch kollegialen - Teilnehmenden "eine vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema (zu) üben". Einige Formulierungen ("Überstülpen der Buchstabenmetapher") mit teils religiöser Einfärbung ("Heilsversprechen", "Glauben an ein Heilsversprechen") verlagern sich auf Polemik, wo eine präzisere Argumentation zu erwarten wäre. So bleibt der Bezug auf die 32 verschiedenen Schreibweisen für 'mekkanisch' unklar.
Der zeitliche Ablauf sieht fünf Stunden für das Format der OpenSpace-Diskussion vor. Diese favorisiert "kreative Beiträge". Hier ist grundsätzlich zu fragen, wie die im gegebenen Kontext erforderliche wissenschaftliche Orientierung auf die DH-Community abgesichert wird.
Form: Den bibliographischen Eintrag Fiormonte, Sukanta Chaudhuri und Paola Ricaurte bitte anpassen, außerdem einige orthographische oder sprachliche Versehen. Der Aufruf zum vorbereitenden Einreichen von Userstories sollte in den Antragstext aufgenommen werden, um die thematische Kohärenz weitergehend zu dokumentieren und abzusichern.
Notizen
-
digital divide taucht in den DHd Abstracts 2016-2020 nicht auf
- wird in einigen Beiträgen zu den DH Konferenzen thematisiert
ausformulierte Reaktion an Gutachter_in
Vielen Dank für die Begutachtung und die Hinweise zur Präzisierung von Workshop-Motivation und Methode.
Der Workshop wird von der neuen DHd AG Multilingual DH organisiert und will für die Ausrichtung der weiteren AG-Aktivitäten die Möglichkeit des Zusammenkommens der DH Community auf der Jahrestagung nutzen, um einen Raum für die weitere Öffnung und anschließend auch Präzisierung künftiger Aktivitäten zu geben. Die uns bislang schon bekannten Anknüpfungspunkte und "user stories" weisen eine hohe Diversität auf und belegen einmal mehr, dass Multilingualitäten in all ihrer Vielfalt kein edge case, sondern der Kern (digitaler) Geistes- und Kulturwissenschaften sind. Dies wird durch das von uns gewählte Beispiel der arabischen Schrift und Sprache deutlich. Dabei handelt es sich eben nicht um eine "kleine" Sprache: nach Latein und Chinesisch ist Arabisch die dritt-häufigste Schrift und die sechsthäufigste Sprache weltweit, eine von sechs Amtssprachen der VN und die liturgische Sprache und Schrift von weit über einer Milliarde Muslimen. Daher geht es bei den "user stories" nicht um individualisierte, projektspezifische Probleme, sondern um die wiederkehrenden Herausforderungen für DH Arbeiten in allen Konstellationen von Mehrsprachigkeit.
Open Space
Damit ist deutlich, dass die AG und der Workshop für alle Aspekte von und Erfahrungen im Umgang mit Mehrsprachigkeit in den DH offen sein muss. Dafür wurde als Methode das Open Space Format gewählt, welches diesen Ansatz unterstützt.
Es ist ein erprobtes und in den DH breit angewandtes Konferenzformat. In seiner Sonderform des Barcamps wurde es auch bereits bei DHd Konferenzen, z.B. von der AG Zeitschriften, oder auch im Rahmen der Berlin University Alliance (BUA) OpenScholarship Initiativen erfolgreich durchgeführt. Gerade weil im Kontext von Multilingualität und -skriptualität in Nicht-Lateinischen Schriften bisher kaum ein gemeinsamer Blick auf Probleme und Herausforderungen über Projekt-, Sprach-, Schrift- und Fachdisziplingrenzen hinaus besteht, ist das OpenSpace Format eine Gelegenheit, Teilnehmer:innen gleichberechtigt die Möglichkeit zu geben, bisher nicht oder nur vereinzelt thematisierte Problemfelder zu öffnen und zu diskutieren.
Anders als das freiere Barcamp bietet ein OpenSpace hier durch die zu Beginn festgelegte thematische Struktur einen systematischeren Ansatz zur kreativen und lösungsorientierten Diskussion komplexer methodischer, technologischer und infrastruktureller Probleme. Zusätzlich bietet der OpenSpace eine herausragende Gelegenheit zur fachlichen Vernetzung.
Ziel der AG ist es, Lösungen für bestehende Probleme in einer möglichst gleichberechtigten, interdisziplinären Community zu erarbeiten. Das OpenSpace Format erscheint uns hierfür als naheliegende, erprobte und etablierte Methode.
Verankerung der Themen
Wir beziehen uns in der Einleitung und bei den "Herausforderungen" hinsichtlich der Verankerung im Forschungsstand auf Dekolonisierungsdiskurse, wie sie aktuell bereits an wissenschaftlichen Bibliotheken und Universitäten geführt werden (für den deutschsprachigen Raum siehe zB das Wiki des Netzwerks Dekolonialisierung von Bibliotheken im DACH-Raum https://decolonizethelibrary.miraheze.org/wiki/Hauptseite, für den englischsprachigen Raum siehe die Cambridge University Libraries Decolonisation Working Group https://www.lib.cam.ac.uk/about-library/diversifying-collections-and-practices/cambridge-university-libraries-decolonisation ). Global North und South sind etablierte politische Begriffe zur Beschreibung von globalen Verhältnissen, die nicht regional, sondern sachspezifisch z.B. in Bezug auf Infrastruktur- und Mittelverteilung oder als Kritik an der Dominanz lateinischer Schriften in nicht-lateinisch-schriftlichen Kontexten in Bedeutung treten. Der Workshop nimmt hierzu im Kontext von Multilingualität und -skriptualität Wissenschaftsinfrastrukturen in den Blick.
In diesem Kontext führen wir auch den Begriff des digital divide wie folgt ein: "Metaphern in Interfaces und Zeichenkodierungen, d.h. der Möglichkeit geschriebene Sprache digital abzubilden, sind die Basis sämtlicher Mensch-Maschine Interaktionen und begründen einen fundamentalen digital divide zwischen hegemonialem, anglophonen Globalen Norden und Globalen Süden" (zum Kontext dieses Diskurses siehe auch Fiormonte 2021). Unsere Ausführungen zu den strukturellen und institutionellen Aspekten des digital divide dominieren die Literatur zu diesem in unseren Feldern fest etablierten Begriff. Für einen relativ neuen Überblick möchten wir auf Ragnedda 2019 verweisen. Allerdings werden die Auswirkungen eines solchen digital divide auf die multilinguale DH vom Mainstream häufig nicht wahrgenommen, weswegen wir ihnen größeren Raum eingeräumt haben.
Die erläuterten Herausforderungen bezüglich der Wissenschaftsinfrastrukturen, die Multilingualität bislang (zu) wenig unterstützen, kontextualisieren den Problembereich insbesondere hinsichtlich von Anknüpfungspunkten für die Vernetzung mit anderen DHd AGs (konkrete Anfragen für die Zusammenarbeit im Workshop bestehen aus der AG Empowerment).
Literatur
Ragnedda, Massimo. “Conceptualising the Digital Divide.” In Mapping the Digital Divide in Africa: A Mediated Analysis, edited by Bruce Mutsvairo and Massimo Ragnedda, 27–44. Amsterdam: Amsterdam University Press, 2019. https://doi.org/10.2307/j.ctvh4zj72.6.
ausformulierte Reaktion an Programmkomittee
Bei der Einreichung der Workshop-Beschreibung sind wir von dem Grundwissen derjenigen ausgegangen, die sich mit Mehrsprachigkeit und DH beschäftigen. Dazu gehören u.a. die Konzepte von Global South / Global North wie auch der digital divide, die das Verhältnis zwischen Global South und North in den DH beschreibt. Wir hatten dieses Verhältnis indirekt eingeführt, in dem wir folgendermaßen darauf verwiesen: "Metaphern in Interfaces und Zeichenkodierungen, d.h. der Möglichkeit geschriebene Sprache digital abzubilden, sind die Basis sämtlicher Mensch-Maschine Interaktionen und begründen einen fundamentalen digital divide zwischen hegemonialem, anglophonen Globalen Norden und Globalen Süden." Einige Absätze weiter greifen wir den Begriff des digital divide dann wieder auf und buchstabieren seine Bedeutung auf strukturellen und institutionellen Ebenen detailliert aus.
Aufgrund der Kritik der Gutachterin: "Schlagwörter wie 'Digital divide' werden ohne Referenz und definitorische Anbindung an das Rahmenthema verwendet" gehen wir jetzt davon aus, dass diese Begriffe noch nicht im Zentrum der DH stehen. Das ist u.a. eines der Anliegen dieser AG. Strukturelles Nicht-Wissen ist dabei Teil der Problematik, der sich diese AG widmen will und deren Dringlichkeit sich auch in diesem Gutachten zeigt.
Notizen
- Es scheint so, dass einige für unsere Communities selbstverständliche Begriffe und Diskurse den Gutachter_innen nicht vertraut sind
- Das ist einer der Hauptmotivationspunkte für unsere AG und die Art der Einreichung, mit der wir hofften solch potentielles Unverständnis zu addressieren
- Daraus resultiert ein großes Missverständnis. Es zeigt aber auch die raison d'etre der AG und des Workshops
- Wir führen die Lesenden doch durch unseren Text und sind auch gut strukturiert. Wir machen einen Punkt auf, illustrieren den dann und bauen eine Begründung auf, warum sich mit einzelnen Punkten beschäftigt werden muss. Wir können die niedrige Bewertung daher nicht nachvollziehen
Entwurf der Reaktion an das Programmkomittee
Es scheint so, dass einige für unsere Communities selbstverständliche Begriffe und Diskurse der Gutachterin nicht vertraut sind. Auch scheint sie mit den spezifischen Herausforderungen des von uns erwähnten digital divide zwischen Globalem Norden und Süden für die DH weder vertraut noch willens, sich mit unseren Positionen zu beschäftigen. So schreibt die Gutachterin: "Schlagwörter wie 'Digital divide' werden ohne Referenz und definitorische Anbindung an das Rahmenthema verwendet" obwohl wir den Begriff wie folgt einführen: "Metaphern in Interfaces und Zeichenkodierungen, d.h. der Möglichkeit geschriebene Sprache digital abzubilden, sind die Basis sämtlicher Mensch-Maschine Interaktionen und begründen einen fundamentalen digital divide zwischen hegemonialem, anglophonen Globalen Norden und Globalen Süden." Einige Absätze weiter greifen wir den Begriff des digital divide dann wieder auf und buchstabieren seine Bedeutung auf strukturellen und institutionellen Ebenen detailliert aus. In diesem Kontext gehen wir auch auf die Bedeutung von Characterencodings wie ASCII und Unicode ein, die z.B. dazu führen, dass es für Computer 32 Varianten des Encodings für das arabische Wort "mekkanisch" gibt, die für Menschen aber visuell identisch sind. Solange Betriebssysteme und Suchalgorithmen diese 32 Varianten für verschiedene Wörter halten, solange werden menschliche Nutzer_innen z.B. mit einer unbekannten Anzahl von false negatives konfrontiert sein oder Algorithmen zur Normalisierung von Suchanfragen bzw. Korpora schreiben müssen. Inwiefern sich diese Implikation von Characterencodings der Gutachterin nicht erschließt, bleibt uns unklar.
Gutachten 2 (Martina Scholger)
Beitrag der Einreichung
Die Einreichungs schlägt einen Workshop zu den Herausforderungen von Multilingualität in den DH vor.
Beurteilung des Beitrags
Inhalt Beitrag (03x): 4 Forschung (02x): 4 Methodik (02x): 2 Formal (01x): 4 Verständlichkeit (01x): 3 Empfehlung (04x): 3 Summe der Punkte : 43
Kommentare für die AutorInnen
Das Thema Multilingualität ist zweifelsohne ein sehr zentrales und wichtiges Thema, dem man einen Platz bei der DHd einräumen sollte.
Die Herausforderungen des Themas sowie die Aspekte, denen sich der Workshop widmen möchte, werden in der Einleitung klar dargestellt. Ebenfalls wird der aktuelle Diskussionsstand – dem sich die AG vorranging widmet - hinreichend mit Literatur belegt. Im Fließtext zu den Herausforderungen multilingualer DH werden, auch aufgrund des Fehlens weiterer Gliederung, die Argumente zu den einzelnen Themenbereichen, die im Workshop in den Fokus genommen werden sollen, nicht deutlich und übersichtlich herausgearbeitet. An manchen Stellen bedient sich die Einreichung reichlich Pathos, das m.E. ob der unumstrittenen Relevanz des Themas nicht notwendig ist. Der Absatz zum „digital divide“ erscheint etwas unvermittelt und unkontextualisiert. In Bezug auf die Algorithmen für quantitative Verfahren wäre m.E. zu berücksichtigen, dass es auch für viele Sprachen des „globalen Nordens“ (besonders osteuropäische Sprachen) wenig automatisierte Verfahren gibt. Diesbezüglich sollte niemand ausgeschlossen werden.
Für die offene Diskussionsrunde erscheint die Moderation und Anleitung durch die Mitglieder der AG unbedingt notwendig: Ein völlig offenes Format, in dem Teilnehmende jederzeit beliebig zwischen Themen / Gruppen wechseln können, verspricht m.E. nicht die gewünschten Ergebnisse zu bringen, auf deren Basis die AG sinnvolle Impulse für ihre weitere Arbeit gewinnen kann. Im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der Ergebnisse des Workshops stellt sich die Frage, wie diese publiziert werden sollen? Durch die AG zu einem späteren Zeitpunkt, oder als gemeinsame Publikation der TeilnehmerInnen z.B. auf Zenodo?
Eine Anregung wäre, neben der Multilingualität als weiteren Aspekt die Multikulturalität stärker einzubringen. So hat sich in anderen Internationalisierungsvorhaben, z.B. der Text Encoding Initiative, gezeigt, dass das Fehlen von Konzepten und Traditionen in bestimmten Kulturkreisen zu Übersetzungsproblemen geführt hat bzw. die Bereitstellung spezifischer Beispiele notwendig macht.
Vor der Veröffentlichung sollte der Beitrag noch einmal korrekturgelesen werden, da sich ein paar Tippfehler eingeschlichen haben.
Notizen
- Kritik am Pathos und politischer Stoßrichtung
- Will Multilingualität um "Multikulturalität" und Internationalisierung erweitern
- Kritik am Format
- Wo sollen die Ergebnisse publiziert werden
ausformulierte Reaktion
Vielen herzlichen Dank für die Begutachtung und die Hinweise zur Präzisierung von Workshop-Motivation und Methode.
Der Workshop wird von der neuen DHd AG Multilingual DH organisiert und will für die Ausrichtung der weiteren AG-Aktivitäten die Möglichkeit des Zusammenkommens der DH Community auf der Jahrestagung nutzen, um einen Raum für die weitere Öffnung und anschließend auch Präzisierung künftiger Aktivitäten zu geben. Die uns bislang schon bekannten Anknüpfungspunkte und "user stories" weisen eine hohe Diversität auf und belegen einmal mehr, dass Multilingualitäten in all ihrer Vielfalt kein edge case, sondern der Kern (digitaler) Geistes- und Kulturwissenschaften sind. Dies wird durch das von uns gewählte Beispiel der arabischen Schrift und Sprache deutlich. Dabei handelt es sich eben nicht um eine "kleine" Sprache: nach Latein und Chinesisch ist Arabisch die dritt-häufigste Schrift und die sechsthäufigste Sprache weltweit, eine von sechs Amtssprachen der VN und die liturgische Sprache und Schrift von weit über einer Milliarde Muslimen. Daher geht es bei den "user stories" nicht um individualisierte, projektspezifische Probleme, sonderen die wiederkehrenden Herausforderungen für DH Arbeiten in allen Konstellationen von Mehrsprachigkeit.
Open Space
Damit ist deutlich, dass die AG und der Workshop für alle Aspekte von und Erfahrungen im Umgang mit Mehrsprachigkeit in den DH offen sein muss. Dafür wurde als Methode das Open Space Format gewählt, welches diesen Ansatz unterstützt.
Er ist ein erprobtes und in den DH breit angewandtes Konferenzformat. In seiner Sonderform des Barcamps wurde es auch bereits bei DHd Konferenzen, z.B. von der AG Zeitschriften, oder auch im Rahmen der Berlin University Alliance (BUA) OpenScholarship Initiativen erfolgreich durchgeführt. Gerade weil im Kontext von Multilingualität und -skriptualität in Nicht-Lateinischen Schriften bisher kaum ein gemeinsamer Blick auf Probleme und Herausforderungen über Projekt-, Sprach-, Schrift- und Fachdisziplingrenzen hinaus besteht, ist das OpenSpace Format eine Gelegenheit, Teilnehmer:innen gleichberechtigt die Möglichkeit zu geben, bisher nicht oder nur vereinzelt thematisierte Problemfelder zu öffnen und zu diskutieren.
Anders als das freiere Barcamp bietet ein OpenSpace hier durch die zu Beginn festgelegte thematische Struktur einen systematischeren Ansatz zur kreativen und lösungsorientierten Diskussion komplexer methodischer, technologischer und infrastruktureller Probleme. Zusätzlich bietet der OpenSpace eine herausragende Gelegenheit zur fachlichen Vernetzung.
Ziel der AG ist es, Lösungen für bestehende Probleme in einer möglichst gleichberechtigten, interdisziplinären Community zu erarbeiten. Das OpenSpace Format erscheint uns hierfür als naheliegende, erprobte und etablierte Methode.
Publikation der Ergebnisse
Die Ergebnisse des Workshops sollen in einem Chart zusammengefasst und visualisiert werden. Eine Publikation findet anschließend über Zenodo und über die Kanäle der AG statt (z.B. GitHub).
Verankerung der Themen
Wir beziehen uns in der Einleitung und bei den "Herausforderungen" hinsichtlich der Verankerung im Forschungsstand auf Dekolonisierungsdiskurse, wie sie aktuell bereits an wissenschaftlichen Bibliotheken und Universitäten geführt werden (für den deutschsprachigen Raum siehe zB das Wiki des Netzwerks Dekolonialisierung von Bibliotheken im DACH-Raum https://decolonizethelibrary.miraheze.org/wiki/Hauptseite, für den englischsprachigen Raum siehe die Cambridge University Libraries Decolonisation Working Group https://www.lib.cam.ac.uk/about-library/diversifying-collections-and-practices/cambridge-university-libraries-decolonisation ). Global North und South sind etablierte politische Begriffe zur Beschreibung von globalen Verhältnissen, die nicht regional, sondern sachspezifisch z.B. in Bezug auf Infrastruktur- und Mittelverteilung oder als Kritik an der Dominanz lateinischer Schriften in nicht-lateinisch-schriftlichen Kontexten in Bedeutung treten. Damit fallen die von der Gutachterin erwähnten osteuropäischen Sprachen in diesem Kontext in den Globalen Süden. Der Workshop nimmt hierzu im Kontext von Multilingualität und -skriptualität Wissenschaftsinfrastrukturen in den Blick.
In diesem Kontext führen wir auch den Begriff des digital divide ein. Ausführungen zu den strukturellen und institutionellen Aspekten des digital divide dominieren die Literatur zu diesem in unseren Feldern fest etablierten Begriff. Für einen relativ neuen Überblick möchten wir auf Ragnedda 2019 verweisen. Allerdings werden die Auswirkungen eines infrastrukturellen digital divide auf die multilinguale DH vom Mainstream häufig nicht wahrgenommen, weswegen wir ihnen größeren Raum eingeräumt haben.
Diese erläuterten Herausforderungen bezüglich technischer, sozialer und Wissensinfrastrukturen, die Multilingualität bislang (zu) wenig unterstützen, kontextualisieren den Problembereich insbesondere hinsichtlich von Anknüpfungspunkten für die Vernetzung mit anderen DHd AGs (konkrete Anfragen für die Zusammenarbeit im Workshop bestehen aus der AG Empowerment). Dabei wird unserer Meinung nach auch deutlich, dass natürlich sämtliche von den Herausforderungen multilingualer DH Betroffenen bei uns willkommen sind.
Literatur
Ragnedda, Massimo. “Conceptualising the Digital Divide.” In Mapping the Digital Divide in Africa: A Mediated Analysis, edited by Bruce Mutsvairo and Massimo Ragnedda, 27–44. Amsterdam: Amsterdam University Press, 2019. https://doi.org/10.2307/j.ctvh4zj72.6.
Gutachten 3 (Noah Bubenhofer)
Beitrag der Einreichung
Der vorgeschlagene Workshop soll das Problem der fehlenden Multilingualität von Strukturen, Infrastruktur, Tools, Forschungsansätzen etc. problematisieren und diskutieren. Die Autor:innen sin der Ansicht, dass trotz vieler technischer Fortschritte (z.B. UTF-8) nach wie vor eine Hegemonie der englischen Sprache und lateinischen Schrift herrsche und Anliegen des Globalen Südens und nicht-englischsprachiger, nicht schriftsprachiger Communities unter den Tisch fallen. Der Workshop soll nach den OpenSpace-Prinzip funktionieren und damit große Freiheit der am Workshop teilnehmenden garantieren.
Beurteilung des Beitrags
Inhalt Beitrag (03x): 5 Forschung (02x): 3 Methodik (02x): 5 Formal (01x): 5 Verständlichkeit (01x): 5 Empfehlung (04x): 4 Summe der Punkte : 57
Kommentare für die AutorInnen
Das Thema ist m.E. wichtig und gleichzeitig extrem vielfältig: Im Konzept werden eine ganze Reihe von Aspekten angesprochen: computerlinguistische Tools für nicht-englische Sprachen, Zeichencodierungen, die Sprache von Programmiersprachen, die Macht von Institutionen ohne demokratische Legitimation etc. Nicht angesprochen wird jedoch die Dominanz des Prinzips der Standardisierung in den DH, die wohl im Widerspruch zu im Konzept angesprochenen Problemen stehen. (Warum ist z.B. TEI-XML auf Englisch verfasst und repräsentiert wahrscheinlich primär Textkonzepte des Globalen Nordens? Eine diesbezügliche Flexibilität stünde wahrscheinlich den Standardisierungswünschen entgegen.) Zudem sehe ich die Entwicklungen in der Computerlinguistik nicht ganz so pessimistisch: Multilingualität, "kleine Sprachen" (und auch Variation und Varietäten) sind inzwischen weit besser abgedeckt; es bleiben jedoch Probleme, da stimme ich den Autor:innen zu. Das didaktische Konzept des OpenSpace ist überzeugend. Allerdings würde ich bei der Breite der angesprochenen Probleme doch empfehlen, generellere Statements oder Hypothesen, die sich von den "user stories" ableiten lassen, in die Arbeitsgruppen zu geben – nicht, um sie thematisch einzuschränken, sondern um ihnen einen reichhaltigen Input zu bieten, der nicht nur aus wahrscheinlich sehr speziellen user stories besteht.
Notizen
- Das Spannungsverhältnis von Standardisierung und kulturellen Spezifika ist uns bewusst und ein wichtiger Antrieb für die Arbeit der AG ... kann durch uns aber immer nur problematisiert und nicht aufgelöst werden.
- Es soll sich nicht um "spezielle user stories" drehen sondern um Gemeinsamkeiten, die auftreten, wenn man MLDH Forschung und Lehre durchführt.
- Ich fühle mich durch den Verweis auf "kleine Sprachen" mißverstanden und provoziert, möchte das Fass hier aber nicht aufmachen.
ausformulierte Reaktion
Vielen Dank für die Begutachtung und die Hinweise zur Präzisierung der Methode und den Verweis auf das Spannungsfeld von Standardisierung und der Spezifizität kultureller Artefakte, dieses kann von der DHd AG Multilingual DH und dem eingereichten Workshop nur problematisiert aber nicht aufgelöst werden.
Der Workshop wird von der neuen AG Multilingual DH organisiert und will für die Ausrichtung der weiteren AG-Aktivitäten die Möglichkeit des Zusammenkommens der DH Community auf der Jahrestagung nutzen, um einen Raum für die weitere Öffnung und anschließend auch Präzisierung künftiger Aktivitäten zu geben. Die uns bislang schon bekannten Anknüpfungspunkte und "user stories" weisen eine hohe Diversität auf und belegen einmal mehr, dass Multilingualitäten in all ihrer Vielfalt kein edge case, sondern der Kern (digitaler) Geistes- und Kulturwissenschaften sind. Dies wird durch das von uns gewählte Beispiel der arabischen Schrift und Sprache deutlich. Dabei handelt es sich eben nicht um eine "kleine" Sprache: nach Latein und Chinesisch ist Arabisch die dritt-häufigste Schrift und die sechsthäufigste Sprache weltweit, eine von sechs Amtssprachen der VN und die liturgische Sprache und Schrift von weit über einer Milliarde Muslimen.
Vor diesem Hintergrund von digitaler Multilingualität als Grunderfahrung geht es, wie vom Gutachter angesprochen, bei den "user stories" nicht um individualisierte, projektspezifische Probleme, sondern die wiederkehrenden Herausforderungen für DH Arbeiten in allen Konstellationen von Mehrsprachigkeit.