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Im Forschungsdatenmanagement wurden die FAIR Principles (2016) durch die CARE Principles (2019) ergänzt, um dem Desiderat zu begegnen,
dass beim Umgang mit Daten ebenso wie mit materiellen Kulturgütern ethisch relevante Aspekte beachtet werden müssen, die deren Herkunft und Inhalt betreffen.
Die vollständig offene und freie Bereitstellung von Daten ist zum einen nicht für alle Menschen gleich vorteilhaft und zum anderen nicht für alle Menschen in gleichem Maße zugänglich.
Die CARE Principles wurden dezidiert für die Interessen indigener Völker und deren Daten verfasst. Dabei betreffen ethische Aspekte nur das "E" in CARE.
Darüber hinaus gilt es abzuwägen, ob die Verwendung und Veröffentlichung von Daten, die sie selbst betreffen, auch indigenen Völkern zugänglich sind (Collective Benefit).
Das bedeutet auch, dass die Wertschöpfung aus diesen Daten der indigenen Bevölkerung selbst zugute kommt (unter Wertschöpfung kann hier auch der wissenschaftliche Erfolg gemeint sein).
Über ihre eigenen Daten (Herkunft und/oder Inhalt) sollten indigene Völker außerdem selbst jederzeit vollständig bestimmen dürfen (Authority to Control), auch wenn diese in einem Archiv außerhalb ihres Landes aufbewahrt werden.
Der Umgang mit Daten indigenen Ursprungs sollte demnach auch stets verantwortlich und respektvoll gegenüber ihrer Herkunft und den Menschen erfolgen (Responsibility).
Das schließt auch ggf. eine Wissensvermittlung und einen Auftrag in data literacy sowie für technische Infrastruktur ein, wenn Forschende indigene Daten nutzen wollen.
Letztlich fordert das "E" für Ethics in CARE eine aktive Einbindung der Betroffenen bei allen Entscheidungen über ihre Daten.
Hintergrund ist das Bestreben, einem Datenkolonialismus zu begegnen und diesen zu verhindern. Denn wirtschaftliche und soziale Vorteile, die sich historisch aus dem Kolonialismus ergeben,
können im Kontext der datengetriebenen Forschung und des Forschungsdatenmanagements leicht ausgenutzt werden, um diesen Effekt zu verstärken und zu wiederholen, ohne sich dessen bewusst zu sein.
Besonders die Max Weber Stiftung geht als international agierende Stiftung gemeinsam mit ihren Instituten im Ausland besonders sensibel vor und bezieht ethische Aspekte nicht nur auf die indigene Bevölkerung,
sondern zumindest auch auf die Opfer des Nationalsozialismus weltweit. Eine explizite Ausweitung der CARE Prinzipien auf außer-indigene Anwendungsfälle wird von den Initiatoren allerdings bewusst abgelehnt
(vgl. dazu und als Referenz dieses Abschnitts: Imeri, Sabine, und Michaela Rizzolli. „CARE Principles for Indigenous Data Governance: Eine Leitlinie für ethische Fragen im Umgang mit Forschungsdaten?“ o-bib. Das offene Bibliotheksjournal / Herausgeber VDB 9, Nr. 2 (14. Juni 2022): 1–14. https://doi.org/10.5282/o-bib/5815).
Vgl. zu ethischen Aspekten im Forschungsdatenmanagement hier auch das Kap. zum Umgang mit sensitiven Daten sowie darüber hinaus die Bemühungen der Sektion ELSA im NFDI Verein.